Glarnerland vertreibt Die bösen Geister

Die Silvesterschellner ziehen auch dieses Jahr durch die Altjahrnacht. (Fotos/Video: Ruedi Kuchen/zvg.)

Mitten in den Rauhnächten, in der Nacht auf Silvester, wird das alte Jahr ausgetrieben – mit Schellen und Trommeln, von den Silvesterschellnern und dem Glarner Tambourenverein. Die Bräuche rund um den Jahreswechsel werden im Glarnerland wieder hochgehalten. Der FRIDOLIN sprach mit Martin Thut und Philipp Haller über Suppe, Mystik und Stallgeruch.

«Endlich war der letzte Tag des Jahres angebrochen. Viele Wecker rasselten in Schwanden zwischen 3.00 und 3.30 Uhr. Kurze Zeit später konnte man stumme Gestalten durch die eisige Kälte dem Thon zustapfen sehen. Das Thermometer war auf minus 15° Celsius gefallen. Der Himmel war sternenklar, der Schnee knirschte unter den Schuhen der nächtlichen Wanderer. So fanden sich um die 40 Mann fast lautlos auf dem Thonerbödeli ein. (…) Schlag 4.30 Uhr ertönte das Kommando: Eis, zwei, drüü! Nun hob ein Dröhnen an, wie es im Thon wohl lange Jahre nicht gehört wurde.» So beginnt der Bericht vom ersten Silvesterschellen, das Esajas Blumer und seine Kollegen aus Schwanden 1976 wiederbelebt hatten. Auch heuer geht es – trotz Covid-Restriktionen – am Morgen des Altjahres auf der bewährten Route wieder durch die Strassen von Schwanden, sagt Martin Thut, Chef der Silvesterschellner. Seit 45 gehört am Schluss die Suppe dazu und es wird noch immer nicht gerne gesehen, wenn einer ohne Vorschelle ankommt oder nicht im Takt «schellnen» kann.

Trommeln
In Näfels und Mollis ist der Glarner Tambourenverein nachts jeweils schon früher unterwegs. Auch hier ist das Austreiben der Geister des alten Jahres eine ernsthafte Angelegenheit. Wie in Schwanden sind etwa 20 Mann unterwegs, allerdings tragen alle eine dunkle Kutte und eine weisse Maske. Mit acht Jahren kann man Tambour werden, doch erst mit 16 Jahren dürfen die Jungen das erste Mal beim Silvestertrommeln mitziehen. Gespielt wird auf der Baslertrommel und es erklingen gravitätische Basler Märsche. Diese werden, so Philipp Haller, etwas langsamer als Marschtempo gespielt, also mit etwa 95 bis 100 Schlägen. Das wirkt ernst und es wird auf qualitativ hochwertiges Spielen geachtet. Die Silvestertradition in Näfels ist über 250 Jahre alt, schon im 18. Jahrhundert wurde Maskenlaufen und Lärmen zu Silvester in Näfels verboten, doch dürften die Wurzeln des Brauchtums in grauer Vorzeit liegen – vielleicht in der Zeit, als noch mit Mondkalendern gerechnet wurde.

Ordnung gegen das Wilde
In diesem Jahr können die Rituale, in welche der Tambourenverein das Silvestertrommeln einbettet, coronabedingt nicht stattfinden. So beginnt das Trommeln bereits um 19.30 Uhr, statt erst kurz vor Mitternacht. Normalerweise findet bis 20.30 Uhr zuerst die Hauptversammlung statt und danach die Aufnahmezeremonie der Tambouren, die mit 16 Jahren Aktivmitglied werden. Hier bekommen sie den «Stallgeruch» des Vereins, den Zinnbecher, die Maske, die Kutte. Die Stimmung beim Auszug ist «mystisch», wie Philipp Haller, Präsident des GTV, es beschreibt. Es wird in strenger Formation gelaufen und dies hat seine Gründe. Man geht hinaus in eine wilde Rauhnacht – das kommt vom Wort «ruuch», also roh. In den Rauhnächten – im Volksglauben die zwölf Nächte zwischen Weihnacht und Dreikönigstag –, so die Mythologie, zieht die Wilde Jagd als Geisterzug oder Gratzug durch die Nacht, angeführt vom Schimmelreiter. Auch in Glarner Sagen finden sich dazu Anknüpfungspunkte, etwa im «Tootevolch vu Äneda», im «Süüchäschimmel», oder beim «Geisterspuk in der Altjahrnacht», wo die «Wildleute» in die «Gnüsswand» verbannt werden. In der Nacht auf Silvester kommen sie als schaurige Gestalten mit Menschenkopf, Krallen und Fledermausflügeln aus Felslöchern und Spalten und fliegen über das Tierfehd.

Guten Rutsch
Wenn also Silvestertrommler und -schellner uns nächtens oder frühmorgens aus den Federn holen, so ist das ebenso ein magisches Ritual des Verbannens wie es das Abbrennen von Feuerwerk und Böllern. Doch wie auch immer Sie das dieses Jahr – hoffentlich coronakonform – hinter sich bringen, das FRIDOLIN-Team wünscht Ihnen, dass das neue Jahr keine Wilde Jagd, sondern eine glückliche Schlittenfahrt, eben ein «guter Rutsch» wird.

FJ

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