London/ New York/ Paris/ Schwanden - Was verbindet diese Orte?

Lill Tschudi, Street Decoration (1937), Linolschnitt, Sammlung Glarner Kunstverein. (Foto: © Nachlass Lill Tschudi)

Am stürmisch regnerischen Dienstagabend, 30. November, eröffnete die Grafische Sammlung der ETH Zürich eine Ausstellung mit Werken der Schwander Künstlerin Lill Tschudi, die noch bis zum 13. März 2022 täglich von 10.00 bis 16.45 Uhr besucht werden kann (24. Dezember bis 2. Januar sowie am 14. Januar geschlossen).

Was die verantwortlichen Ausstellungsmacher in mehreren Monaten zusammengetragen haben, ist schlicht atemberaubend. Die dynamischen, von grosszügigem Schwung und jugendlicher Kraft geprägten Linolschnitte aus den 1930-er und 1940-er Jahren lassen jedes Herz höher schlagen. Lill Tschudi versteht es für mich wie keine andere, das nach dem 1. Weltkrieg wiedergewonnene Leben mit Sport, Verkehr sowie den beruflichen Alltag im öffentlichen wie im privaten Leben in kühnen Linien und Formen festzuhalten, mit ein oder zwei prägnanten Farben, die fein aufeinander abgestimmt sind.

Das Talent wurde Lill Tschudi in die Wiege gelegt und durch eine fundierte Ausbildung geweckt, hinzu kam eine stupende Technik. Die Ausstellung dokumentiert eindrücklich ihre Entwicklungsschritte, gefördert durch ihren englischen Lehrer und Künstler Claude Flight an der Grosvenor School of Modern Art. Ab 1929 führte er Tschudi in die Arbeit des Linolschnitts ein. Eine Drucktechnik die Anfang der 1920-iger Jahre entdeckt und sofort weiterentwickelt wurde. Die gelehrige Schülerin aus den Schweizer Bergen bewegte sich natürlich, mit gesundem Selbstbewusstsein und einem auffallend wachen Auge für ausdrucksstarke Sujets in den Grossstädten London und Paris. Londoner Busse, U-Bahn-Stationen, Strassen-Dekorationen zum Thronjubiläum oder die königliche Garde hält sie gleich gekonnt fest wie Petanque-Spieler, Cafés, Jazz-Ensembles oder Zeitungskioske.

Auch in der eigenen Heimat entstanden in dieser Zeit Bilder mit grosser Aussagekraft. Der damals erst in die Mode gekommene Skisport, Schlitteln, Eishockey, Tanzveranstaltungen oder Konzerte sind beliebte Themen, die Tschudi in ihrer stets dynamischen Form- und Farbensprache mit Linolschnitten gekonnt festhielt.

Beeindruckt von all den neuen, frischen und prägenden Eindrücken dieser Ausstellung, in den Händen das neu erschienene Buch: Lill Tschudi – Die Faszination des modernen Linolschnitts 1930-1950, kehrte ich glücklich nach Schwanden zurück. Zugegeben, auch ein wenig wehmütig, im Wissen, dass immer noch viele Glarner/-innen diese Ausnahmekünstlerin wenig bis gar nicht kennen. Ein Gegensatz zu den drei Grossstädten, in denen bekannte Museen, nicht zuletzt das Metropolitan Museum in New York, über eine beachtliche Sammlung von Werken Lill Tschudis verfügen und mit guten Drucken in der übersichtlichen Ausstellung zu sehen sind. Ein Besuch lohnt die Reise nach Zürich – ganz sicher!

Hansruedi Zopfi

Back To Top